Die Evolution am Krypto-Venture Markt. Ein Zwischenbericht von Raphael Baumann.
ICO's sind tot…
Die sogenannten Initial Coin Offerings, kurz ICO’s, haben einen heftigen, aber kurzlebigen Hype erlebt. Die grosse Popularität der ICO’s hat jedoch auch Defizite bei dieser Art von Startup-Finanzierungen aufgezeigt. Das Hauptproblem ist, dass die Natur der Token und die damit verknüpften Rechte der Token Halter häufig unklar sind. Es ist für die Token Halter nicht immer eindeutig, ob überhaupt und welche Rechte ein Token gegenüber der Emittentin beinhaltet.
Die für die Vermarktung der ICO verwendeten White Papers boten nicht immer die erforderliche Transparenz. Es war daher nicht verwunderlich, dass sowohl die amerikanische Börsenaufsicht SEC als auch die europäische Börsenaufsicht sowie die schweizerische Finanzmarkaufsicht FINMA Anleger vor erheblichen Risiken warnte.
Seither wurde es ruhig um ICO’s. Es gibt aktuell kaum mehr ICO’s, welche erfolgreich Kapital in die Kassen der Startup’s spülen.
…es lebe der STO
Ende 2018 hat die Krypto-Community grosse Hoffnung in Security Token Offerings, kurz STOs, gesetzt. Anders als in vielen ICO’s werden die ausgegeben Token durch etwas Greifbares gestützt. Das können Aktien, Partizipationsscheine, Anleihen oder Gewinnbeteiligungen der Emittentin sein - im Prinzip alle klassischen Finanzprodukte des Kapitalmarkts. Die Tokens repräsentieren dabei die Finanzprodukte.
Ein Security Token Markt ist bisher jedoch kaum vorhanden. Im Vergleich zur klassischen nicht tokenisierten Finanzierung, ist die tokenisierte Finanzierung noch ein Nischenphänomen. In der Schweiz sind seither gut ein Dutzend STO’s durgeführt worden. Die einzelnen STO’s unterschieden sich zum Teil stark in der Struktur. Ein einheitliches, standardisiertes Modell hat sich bislang noch nicht durchsetzen können. Die geringe Nachfrage nach Security Token erstaunt auf den ersten Blick, profitieren die klassischen tokenisierten Finanzprodukte doch von einer klareren Rechtslage. Dafür sind die regulatorischen Hürden aber etwas höher.
Prospektpflicht im In- und Ausland
Gemäss schweizerischem Recht erfordert das öffentliche Angebot von Beteiligungs- oder Schuldrechten in den meisten Fällen die Erstellung eines Prospekts, der bei unrichtigen oder irreführenden Angaben zur Haftung der Emittenten führt. Kompliziert wird es insbesondere dann, wenn grenzüberschreitend Investoren angesprochen werden sollen. Dies kann unter Umständen weitere Prospektpflichten im Ausland auslösen, welche sogar von einer Behörde genehmigt werden müssen. So weit sind wir in der Schweiz noch nicht. Zwar tritt anfangs 2020 das Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen in Kraft und auch Prospekte nach Schweizer Recht bedürfen grundsätzlich einer Genehmigung einer Behörde. Doch der weit gefasste Ausnahmekatalog im neuen Gesetz wird es auch in Zukunft erlauben, Prospekte ohne Genehmigung zu veröffentlichen.
Fehlende Handelsplattformen für Security Token
Ein weiterer Grund warum sich STO’s meines Erachtens noch nicht durchsetzen konnten, ist die oftmals fehlende Exit-Strategie. Investoren wollen heute nicht nur wissen, wie man einen Token kauft, sondern auch, wie man ihn verkauft. Da der öffentliche Handel von Security Token in der Schweiz reguliert ist und der Betrieb einer öffentlichen Handelsplattform mit Security Token eine Effektenhändlerlizenz erfordert, ist oftmals kein funktionierender Sekundärmarkt für die Security Token vorhanden. Daher liegt es an der Emittentin, den Investoren aufzuzeigen, wie man in naher oder ferner Zukunft die Security Token verkaufen kann.
Das immense Potential von tokenisierten Beteiligungsrechten
Tokenisierte Beteilungsrechte, wie beispielsweise Aktien, können das «Corporate-Housekeeping» einer Gesellschaft massiv erleichtern. Dieser zweite Anwendungsfall wird bei den Diskussionen rund um STO’s oftmals komplett vergessen.
Dank der Blockchain-Lösung lässt sich beispielweise das Aktienbuch und das Verzeichnis der wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft komplett automatisiert und digital führen. Auch die rechtsgültige, formlose Übertragung der tokenisierten Aktien über die eigene Blockchain ist bereits heute möglich. Das grösste Potential von tokenisierten Aktien liegt aber in der automatisieren Abwicklung von Dividendenzahlungen und Durchführung von Generalversammlungen.
Virtuelle Generalversammlung
Denkbar ist beispielsweise eine rein virtuelle Generalversammlung, an der die Teilnehmer nicht physisch zusammenkommen müssen, sondern sich per Netzwerk über ihren Computer auf einen vorausbestimmten Zeitpunkt hinzuschalten. Die Kommunikation findet mittels Videokonferenz und einem Chatroom statt. Abgestimmt wird mit Hilfe der Token, welche eine eindeutige Identifikation des Teilnehmers ermöglichen und zugleich nicht die Kopfstimme, sondern die wirkliche Anzahl Aktien repräsentieren. Das Protokoll der Generalversammlung kann anschliessend automatisiert erstellt werden.
Meines Erachtens können sogar Beschlüsse einer virtuellen Generalversammlung öffentlich beurkundet werden. Der Notar kann sich beispielsweise zum Standort des Vorsitzenden der virtuellen Generalversammlung begeben und dort unmittelbar am Bildschirm des Computers des Vorsitzenden die Feststellungen der Versammlungsleitung wahrnehmen und die Beschlüsse öffentlich beurkunden.
Der Einsatz von tokenisierten Beteiligungsrechten muss daher nicht immer im Rahmen einer Unternehmungsfinanzierung erfolgen. Auch etablierte Unternehmen können von einer Tokenisierung ihrer bereits bestehenden Beteiligungsrechte profitieren.