Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zeigt keine Anzeichen einer Besserung, während weitere Sanktionen inklusive einem SWIFT-Ausschluss der Grossmacht verhängt werden. Auf beiden Seiten des Konflikts suchen Leute in Kryptowährungen eine Alternative zum angeschlagenen Bankensystem.
Die jüngste Flut von Sanktionen gegen Russland kam über das vergangene Wochenende, als die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, das Vereinigte Königreich und Kanada erklärten, sie würden zahlreiche russische Banken vom weltweiten Interbankensystem SWIFT ausschliessen und das Vermögen der russischen Zentralbank "lahmlegen". Die Massnahmen der westlichen Mächte soll die Fähigkeit des russischen Währungshüters einschränken, Devisen- und Goldreserven in Höhe von 640 Milliarden Dollar einzusetzen. Der Rubel verlor als Reaktion etwa 40% seines Wertes und konnte sich erst nach dem Eingreifen der Russischen Notenbank etwas erholen. Der Handel mit der Währung wurde vorübergehend eingestellt und der russischen Bevölkerung droht die potenzielle Einfrierung ihrer Konten. Sowohl in der Ukraine als auch in Russland wenden sich viele Menschen nun der Blockchain-Technologie und Kryptowährungen zu.
Intervention der Zentralbank
Die Russische Notenbank hat ihren Leitzins mehr als verdoppelt und einige Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, um die Wirtschaft vor den beispiellosen westlichen Sanktionen zu schützen, die den Rubel auf ein Rekordtief stürzen liessen. Die "Flucht in die Sicherheit" kam unter anderem Gold, US-Staatsanleihen, dem US-Dollar und dem Schweizer Franken zugute.
Nachdem der Rubel auf ein historisches Tief gefallen war, wurde der Leitzins von 9.5% auf 20% und damit auf den höchsten Stand in diesem Jahrhundert angehoben, um den Risiken der raschen Abwertung des Rubels und der höheren Inflation zu begegnen, welche die Ersparnisse der Russen bedrohen. Der Regierungsabgeordnete Nikolai Arefiev erklärte, dass alle eingezahlten Gelder von russischen Bürgern im Falle einer Eskalierung der westlichen Sanktionen zur Deckung der Staatsausgaben konfisziert werden können.
Bitcoin-Handelsvolumen in Russland erreicht Höchststände
Im Zuge der Sanktionen ist das Handelsvolumen von Kryptowährungen in Rubel stark angestiegen. Die wirtschaftlichen Einschränkungen betreffen schlussendlich nicht nur die Machtträger sondern alle Bewohner Russlands, die sich vermehrt vor dem traditionellen Finanzsystem schützen möchten. Das Handelsvolumen zwischen Bitcoin und russischem Rubel (BTC/RUB) erreichte ein neues Hoch, als die Fiat-Währung des Landes nach der Invasion in der Ukraine auf ein Rekordtief fiel.
Das RUB-denominierte Bitcoin-Volumen erreichte rund 1.5 Milliarden - den höchsten Stand seit dem Marktcrash im Mai 2021 - als Investoren in Erwartung strengerer Sanktionen ihr Geld aus dem Rubel abziehen wollten. Ein ähnlicher Trend war laut dem Marktdatenforscher Kaiko auch in Rubel-denominierten Tether-Handelspaaren zu beobachten. Der Russische Finanzminister kündete bereits eine eigene digitale Währung an, die SWIFT-Sanktionen umgehen sollte; einige Analysten spekulieren auf die Integration des digitalen Yuans.
Ukrainische Regierung bittet Krypto-Gemeinschaft um Unterstützung
Auf der anderen Seite des Konflikts hat sich die Regierung eingeschalten, um Spenden über offizielle Krypto-Adressen empfangen zu können. Zudem hat die führende Kryptobörse Binance 10 Millionen US-Dollar für die humanitären Bemühungen in der Ukraine zugesagt und gleichzeitig eine Krypto-Crowdfunding-Aktion gestartet. Auch die Nichtregierungsorganisation (NGO) Come Back Alive hat durch Bitcoin-Spenden knapp 7 Millionen Dollar erhalten, nachdem ihr Patreon-Konto für Fiat-Spenden geschlossen wurde.
Stand with the people of Ukraine. Now accepting cryptocurrency donations. Bitcoin, Ethereum and USDT.
BTC - 357a3So9CbsNfBBgFYACGvxxS6tMaDoa1P
ETH and USDT (ERC-20) - 0x165CD37b4C644C2921454429E7F9358d18A45e14
— Ukraine / Україна (@Ukraine) February 26, 2022
Über die offiziellen Spendenadressen kamen weitere 25 Millionen USD zusammen, die zur Unterstützung der ukrainischen Zivilgesellschaft genutzt werden sollen. Trotz der grosszügigen Spenden der Krypto-Gemeinschaft forderte der ukrainische Vizepremierminister Kryptobörsen auf, Adressen russischer Kunden zu sperren. Betroffen sollen nicht nur russische Beamte, sondern auch normale Bürger des Landes sein. Einige Verfechter dezentraler Währungen wiesen als Reaktion darauf hin, dass zensurresistente Netzwerke wie Bitcoin die Bevölkerung beider Seiten des Konflikts schützen sollen.
Bitcoin & Co. rücken in ein neues Licht
Mit den jüngsten Ereignissen in der Ukraine erscheinen insbesondere Bitcoin, aber auch andere Kryptowährungen für viele in einem neuen Licht. In westlichen Ländern bis jetzt oft nur als Spekulationsobjekt wahrgenommen, entfalten sie in eben diesen Situationen ihre wahren Eigenschaften. Auf beiden Seiten des Ukrainekonflikts garantieren Kryptowährungen nun für einzelne Individuen Wertaufbewahrungs- und Transaktionsmöglichkeiten ohne Hindernisse. Mit ihnen ist es möglich, einem drohenden Wertzerfall der heimischen Währung und dem teilweisen Zusammenbruch der Finanzinfrastruktur zu entkommen. Spenden und Transaktionen finden unentwegt und unvermittelt zum Empfänger.
Damit kommen die wahren Eigenschaften, auf welchen erlaubnislose und zensurresistente Blockchain-Zahlungsnetzwerke wie Bitcoin fundieren, zum Vorschein. Sie garantieren im Krisenfall finanzielle Souveränität für jedes Individum und dies unabhängig von politischen Einstellungen oder Herkunft. Ein Internetanschluss reicht, um am globalen Zahlungsnetzwerk teilzunehmen. Natürlich bringt die neue Technologie auch Missbrauchspotenzial mit sich. Richtig eingesetzt und mit einer begleitenden Regulierung, wie sie aktuell stattfindet, haben Kryptowährungen jedoch das Potenzial, unsere in die Jahre gekommene Finanzinfrastruktur zu revolutionieren und fairer zu gestalten.